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Wirkt Achtsamkeit? Ein kritischer Blick anhand des Aktuellen Forschungstandes


(Zhang et al., 2021, o.S.)

Im Jahr 2021 haben Zhang et al. verschiedene Datenquellen aus den Datenbanken PubMed, EMBASE, CINAHL, PsycINFO, AMED, Web of Science und Google Scholar unter Verwendung von Schlüsselwörtern wie "Achtsamkeit", "Meditation" und "Review", "Meta-Analyse" oder deren Variationen identifiziert. Daraus wurde ein Review als Gesamtübersicht verfasst. Die wichtigsten Inhalte zum Forschungsstand in Bezug auf Achtsamkeit und deren Bedeutung am Arbeitsplatz werden nachfolgend aufgeführt:


Übereinstimmungen finden sich in der Wirksamkeit der Verbesserung psychosozialer Zustände wie


  • Depression

  • Angst

  • Stress

  • Schlaflosigkeit

  • Sucht

  • Psychose

  • Schmerzen

  • Bluthochdruck

  • Gewichtskontrolle

  • krebsbedingte Symptome

  • prosozialem Verhalten


Die Anwendung eignet sich sowohl im Gesundheitswesen als auch in Schulen und am Arbeitsplatz mit adäquater Kostenwirksamkeit.





Vorläufige Erkenntnisse oder nicht schlüssige Ergebnisse finden sich in den Auswirkungen bei


  • posttraumatischen Belastungsstörungen

  • ADHS

  • Autismus

  • Essstörungen

  • Einsamkeit

  • körperlichen Symptomen wie bspw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Atemwegserkrankungen


Darüber hinaus fehlen aktuell Bestätigungen der Wirksamkeit in bestimmten Untergruppen sowie deren Kostenwirksamkeit. Es sind mehr qualitativ hochwertige Studien mit ausreichender Stichprobengröße und längerer Nachbeobachtungszeit erforderlich.



Achtsamkeit am Arbeitsplatz


Eine systematische Überprüfung ergibt, dass Achtsamkeit am Arbeitsplatz positiv mit

  • Vertrauen

  • Arbeitszufriedenheit

  • Leistung

  • zwischenmenschlichen Beziehungen

der Mitarbeitenden in Verbindung steht. Darüber hinaus korreliert Achtsamkeit negativ mit Burnout und Counterproductive Work Behaviour (CWB). Achtsamkeitsbasierte Interventionen sind für ArbeitnehmerInnen vorteilhaft, weil Stress, Burnout, psychische Belastungen und somatische Beschwerden reduziert werden. Gleichzeitig werden Wohlbefinden, Mitgefühl und Arbeitszufriedenheit verbessert. Die Auswirkungen auf das Arbeitsengagement und die Produktivität waren durch die geringe Anzahl von Studien begrenzt auswertbar.





Kosteneffizienz


Achtsamkeitsbasierte Interventionen sind wahrscheinlich kosteneffizient und kostengünstig, da sie in Gruppenform oder als Selbsthilfemaßnahmen angeboten werden können. Der Nutzen ist fast der gleiche wie bei kognitiven Verhaltensinterventionen. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um ihre Kosteneffektivität zu bestätigen. Vorläufige Belege unterstützen die Kosteneffizienz, wobei sowohl Online- als auch persönliche Trainings eingesetzt werden können. Es bestehen nach der ausgewerteten Datenlage Unsicherheiten in Bezug auf die Kosteneffizienz zu Achtsamkeits-Interventionen am Arbeitsplatz.



Bereitschaft


Die mangelnde Bereitschaft der Teilnehmenden ist ein Hindernis für das Erlernen von Achtsamkeit.


Untersuchungen zeigen, dass die Abbrecherquote bis zu 25 % oder mehr betragen kann.


Frühere Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der Frage, wer von den Teilnehmenden die nötige Bereitschaft aufbringt oder zum Abbrecher wird.

Im Allgemeinen weisen


  • Frauen

  • Personen mit höherer Offenheit für Erfahrungen

  • sowie Personen mit höherem Leidensdruck

eine höhere Bereitschaft zur Teilnahme auf. Als wichtiger Erfolgsfaktor hat sich als Setting eine natürliche Umgebung erwiesen, insbesondere für Anfänger. (Vergleich gegenüber natürlicher Umgebung im Freien, gebauter Umgebung im Freien und Innenräumen - siehe Choe, E.Y., Jorgensen, A. & Sheffield, D., 2020, o.S.).


Forschende versuchten darüber hinaus, Meditationsübungen zu identifizieren, die ein Gleichgewicht zwischen optimaler Wirksamkeit und verbesserter Adhärenz herstellen (Adhärenz bezeichnet die Übereinstimmung des Verhaltens einer Person mit den vorher vereinbarten Umsetzungsempfehlungen einer Maßnahme). Dies sollte sich auch positiv auf die Bereitschaft der Teilnehmenden auswirken. Es bedarf in diesem Punkt jedoch noch weiterer Forschung.





Mechanismen von Achtsamkeits-Interventionen


Achtsamkeit ist eine augenblickliche Bewusstheit von Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen und der Umgebung. Achtsam zu sein bedeutet, offen, nicht wertend, freundlich, neugierig, akzeptierend und mitfühlend zu sein. Achtsamkeitspraktiken zielen darauf ab, den Zustand der Achtsamkeit zu kultivieren. Diese Praktiken können formell (z. B. Atmung, Sitzen, Gehen, Körperscan) oder informell (z. B. Achtsamkeit im Alltag) sein. Es wurden zahlreiche achtsamkeitsbasierte Interventionsprogramme entwickelt. Unter allen Interventionen sind die von Jon Kabat-Zinn (1979) eingeführte achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) und die auf MBSR basierende kognitive Therapie (MBCT) von Segal, Teasdale und Williams am weitesten verbreitet. Diese beiden Programme umfassen acht wöchentliche Achtsamkeitssitzungen.





Die untersuchten Studien deuten darauf hin, dass zu den aktivierten Mechanismen von Achtsamkeitsinterventionen Veränderungen in Bezug auf Grübeln, Sorgen, Selbstregulierung, Mitgefühl und das Meta-Bewusstsein gehören.


Vorläufige Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass Veränderungen in Bezug auf


  • Aufmerksamkeit

  • Gedächtnisspezifität

  • Selbstdiskrepanz

  • emotionale Reaktivität

  • positiver und negativer Affekt (Ausmaß positiver und negativer Gefühle)


Teil der Mechanismen sein können. In jüngster Zeit wurde auch der Mindfulness-to-Meaning (MMT)-Ansatz als theoretischer Rahmen für die Untersuchung spezifischer Achtsamkeitskomponenten und ihres Beitrags zu positiven gesundheitlichen Ergebnissen anerkannt. Die MMT betrachtet einen Zyklus positiver psychologischer Prozesse, darunter

Dezentrierung, Aufmerksamkeitserweiterung, Neubewertung und Genießen. Es werden positive Zustände des Unterbewusstseins hervorgerufen, die von entsprechenden Affekten durchdrungen sind (Garland & Fredrickson, 2019, S. 4). Dies sind beispielsweise die positiven Emotionen von Ehrfurcht, Mitgefühl, Erhabenheit, Dankbarkeit und Liebe. Wenn dieser Zyklus wiederholt aktiviert wird, bildet er eine Aufwärtsspirale. Negative Affekte werden dadurch ausgelöscht (ebd.). Dies fördert positive Affekte sowie positiven Sinn im Leben. In diesem Bereich gibt es noch viele Unbekannte. U.a. deswegen herrscht noch großer Forschungsbedarf in Bezug auf die Mechanismen von Achtsamkeits-Interventionen. Weiterführende Informationen finden sich bei Garland & Fredrickson (2019, S. 4)



Sicherheit von Achtsamkeits-Interventionen


Achtsamkeits-Interventionen gelten als relativ sichere Interventionen. Wie bei vielen anderen psychologischen Interventionsstudien wird über unerwünschte Ereignisse und unerwünschte Wirkungen kaum berichtet. Eine frühere systematische Übersichtsarbeit über die Sicherheit zeigte, dass weniger als eine von fünf Studien die Überwachung unerwünschter Wirkungen erwähnte.


  • Programmbezogene Faktoren

  • Teilnehmerbezogene Faktoren

  • Kliniker- oder lehrerbezogene Faktoren


sind potenzielle Ursachen für unerwünschte Wirkungen. Praktikern und Forschern wird empfohlen, bei künftigen Programmen mögliche unerwünschte Ereignisse anhand einer Checkliste zu melden.



Ausblick


Trotz des zunehmenden Trends bei Studien und Anwendungen zur Achtsamkeit gibt es noch viele zu erforschende Bereiche. Kritikpunkte an den gegenwärtigen systematischen Übersichten über die Wirksamkeit und Kostenwirksamkeit sind:

  • eine zu geringe Qualität des Studiendesigns

  • die geringe Stichprobengröße

  • die kurze Nachbeobachtungszeit

  • und eine uneinheitliche Terminologie sowie Messinstrumente


Diese Vorbehalte müssen in Zukunft durch solide Studien überprüft werden.


Außerdem sind mehr Studien zu Online-Interventionen erforderlich. Dies trägt zum Verständnis bei, ob Online-Alternativen die gleiche oder eine bessere Wirkung und Kosteneffizienz haben. Online-Alternativen könnten wichtig sein, wie beispielsweise die COVID-19-Pandemie gezeigt hat.


Durch weitere Forschung ist ein besseres Verständnis der Mechanismen zu erlangen, die durch Achtsamkeit aktiviert werden.


Dies ist auch in Bezug auf wirkende Mechanismen zur Teilnahme-Bereitschaft erforderlich. Weiterhin sollten mehr Richtlinien und Vorschriften für Forschung und Dienstleistungen in Zusammenhang mit Achtsamkeit entwickelt werden, z. B. zur Qualifikation von Achtsamkeitslehrern. Diese könnten besonders wichtig sein, wenn Achtsamkeits-Interventionen als kollektive Maßnahme in Schulen, Unternehmen oder Organisationen angeboten werden.



Weitere Informationen dazu findest du unter "Mindfulness for Companies". Ich gestalte auch gerne maßgeschneiderte Workshops nach aktuellem wissenschaftlichen Forschungsstand zu individuellen Themen wie Mindful Leadership oder Umgang mit stressigen Kundensituationen auf Anfrage. Erkundige dich gerne über meine Angebote und kontaktiere mich, sodass wir gemeinsam das geeignete Achtsamkeits-Modell für dein Unternehmen finden.



Be Your Mindful Self.


Katharina Ogilvie




Quellen:



Choe, E.Y., , Jorgensen, A. , Sheffield, D., (2020). Does a natural environment enhance the effectiveness of Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)? Examining the mental health and wellbeing, and nature connectedness benefits


Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0169204619307893?via%3Dihub


Garland E.L. & Fredrickson B.L. (2019) Extending the Mindfulness-to-Meaning Theory

Link:

https://peplab.web.unc.edu/wp-content/uploads/sites/18901/2021/11/garland-and-fredrickson-2019-COP-MMT-an-update-.pdf


Zhang D, Lee EKP, Mak ECW, Ho CY, Wong SYS. Mindfulness-based interventions: an overall review. Br Med Bull. 2021 Jun 10;138(1):41-57. doi: 10.1093/bmb/ldab005. PMID: 33884400; PMCID: PMC8083197.


Link:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8083197/

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