Nach fast einem Jahr veränderter Bedingungen im Arbeits- und Privatleben durch die Pandemie von Covid 19 zeigt sich eine sehr differenzierte Bilanz, was das allgemeine Stressempfinden angeht. Die exponentielle Vervielfachung digitaler Arbeitsprozesse, die nach Hause verlagert worden sind, bringt große Herausforderungen mit, die sich auf die Resilienz („Widerstandsfähigkeit“) jedes einzelnen auswirkt.
Laut einer Studie des Fraunhofer FIT*, publiziert bei HAUFE , haben folgende digitale Belastungsfaktoren im Home Office seit Beginn der Pandemie zugenommen:
Informationsüberflutung
ständige Erreichbarkeit
Konzentrationsprobleme durch Unterbrechungen
mangelnde Erfolgserlebnisse
Komplexität digitaler Technologien
Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Automatisierung (generelle Jobunsicherheit)
Angst vor dem Verlust der Privatsphäre
Auch wenn das Arbeiten im Home-Office einiges an Chancen mitbringt, braucht der Mensch Zeit, um sich an solche lebensverändernden Umstände anpassen zu können.
Wir sind es gewohnt, zu festen Zeiten im Büro zu sein, Kollegen im Flur zu begegnen, uns sozial auszutauschen, abends nach hause zu fahren und damit eine klare Grenze zwischen Berufs- und Privatleben zu ziehen. Wenn wir von zu Hause aus und/oder am Wochenende gearbeitet haben, war dies (in den meisten Fällen) unsere eigene Entscheidung. Natürlich ist Home Office an sich kein neues Konzept, und diejenigen, die es vorher schon gewohnt waren, von zu Hause aus zu arbeiten, haben nicht so sehr mit Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen, wie diejenigen, für die es komplett neues Arbeiten bedeutet.
Fakt ist, dass Home Office vor der Pandemie in den meisten Klein-, Mittel- und Groß-Unternehmen nicht zum normalen Arbeitskonzept gehört hat - also ist die Mehrheit der Arbeitnehmer mit Anpassungsschwierigkeiten im Arbeitsumfeld und Zukunftsängsten konfrontiert, was sich extrem auf das allgemeine Stressempfinden auswirkt. Mal abgesehen von dem hohen organisatorischen Aufwand, den berufstätige Eltern mit Kindern meistern müssen, wenn sich Beruf, Schule und Familienleben in denselben Räumlichkeiten abspielen.
Das Stressempfinden ist höher als je zuvor, obwohl man sich in seinen eigenen 4 Wänden befindet, was eigentlich der Zufluchtsort sein sollte.
Was kann man in diesen herausfordernden Zeiten tun, um zurück zu seinem Ruhepol zu gelangen und sich klar abzugrenzen?
Im ersten Schritt ist es hilfreich, sich einmal klarzumachen, warum wir uns überhaupt so gestresst fühlen. Stressempfinden ist immer subjektiv. Wenn wir Stress empfinden, dann, weil unser inneres Alarmsystem eine Situation (den „Reiz“ = „Stressor“) als gefährlich eingestuft hat. Diese Situationen haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte natürlich extrem verändert. Wenn wir vor 100.000 Jahren eine Stressreaktion in unserem Körper gespürt haben, dann aufgrund einer lebensbedrohlichen Situation. Der Anspannungsnerv („sympathisches Nervensystem“) wurde aktiviert, unser Körper hat relevante Funktionen (Bronchien, Pupillen, Blutzufuhr, Adrenalin) hochgefahren, irrelevante Funktionen runtergefahren (Verdauung, Stoffwechsel etc.)
Heute stuft unser inneres Bewertungssystem Situationen als bedrohlich ein; aufgrund von abgespeicherten Erfahrungen, eigenen (Existenz-) Ängsten und Glaubenssätzen („Ich darf keine Fehler machen“, „Ich möchte gemocht werden“, u.v.m). Früher ging es ums Überleben – d.h. die Stressreaktion unseres Körpers war mehr als angebracht. Heute geht es weniger ums Überleben sondern darum, den idealen Zustand der gewünschten Lebensqualität aufrecht zu erhalten/zu erreichen. Die Reaktion unseres Körpers auf den sogenannten Reiz ist allerdings genau die gleiche wie vor 100.000 Jahren: Im „Kampfmodus“ Höchstleistungen vollbringen zu können.
Anders als früher haben wir heute allerdings – durch die fehlende Trennung zwischen Berufs- und Privatleben – nicht mehr die Chance, in die Entspannungsphase zu gelangen (Aktivierung des „parasympathischen Nervensystems“). Wenn wir unserem Körper nicht aktiv sagen, dass er nun „in Sicherheit“ ist, um in die Entspannungsphase zu gelangen, braucht er aufgrund der o.g. Reize sehr lange, um wichtige Regenerationsprozesse in Gang zu bringen.
Um unseren Körper zu unterstützen, diese Regenerationsphase zu erreichen, hilft es, sich darüber bewusst zu werden, dass sämtlicher Stress in uns selbst ist.
Sämtlicher Stress ist in uns selbst
Wir haben heutzutage die Zeit, eine Neubewertung einer Situation vorzunehmen, die unser Unterbewusstsein als bedrohlich eingeschätzt hat. Wenn wir uns also gestresst fühlen, kann es sehr hilfreich sein, seine Ressourcen, Optionen, Erfahrungen und seinen eigenen Machtbereich zu analysieren. Stresst mich die Gegenwart oder eine Hypothese über meine Zukunft? Liegen unvollständige Infos vor? Wer kann für Klarheit sorgen? Was kann ich aus der Situation lernen? Und vor allem: Was (und wen) kann ich beeinflussen und was (und wen) nicht?
Je mehr unser Gehirn sich mit möglichen Szenarios in der Zukunft befasst, desto mehr Energie wird uns das kosten. Je mehr wir uns über Situationen/ Personen ärgern, die wir nicht beeinflussen können, desto mehr Energie wird uns das kosten. Entscheidend ist, wo wir den Fokus setzen. Ab einem gewissen Punkt macht es also Sinn, loszulassen, um achtsam mit seinem Energiehaushalt umzugehen. Dafür hilft es, sich immer wieder darüber bewusst zu werden, wieviel Energie in destruktive Gedanken fließt. Und wenn wir uns selbst und unsere Gedanken beobachten, und dabei feststellen, dass wir einen Großteil unserer Gedanken für Sorgen, Ängste, Selbstzweifel einsetzen, dürfte sich dies auf unser Stresslevel auswirken.
Ein achtsamer Umgang mit sich und seinen Gedanken kann eine kraftvolle Maßnahme sein und zwar nicht nur, um seinen Stress zu bewältigen sondern auch, um das zu erreichen, was man sich wünscht.
Die besten Achtsamkeits-Tipps, um sich kurz- und langfristig gegen Stress zu wappnen:
Regelmäßiges Reflektieren: Wo ist mein Fokus? Womit beschäftigen sich meine Gedanken? Wie fühlt sich mein Körper an – befindet er sich im Kampf- oder Entspannungsmodus?
Aktive Pausen einplanen, um dem Körper die Chance zu geben, Kraft zu tanken
In den Pausen seinen Fokus auf Erfolgserlebnisse ausrichten (Gehirn lädt auf)
Klare Routinen einbauen, um sich selbst Struktur und Stabilität zu geben
Grenzen setzen: Rituale, die helfen, vom Arbeits- in den Entspannungsmodus zu gehen
Sich bewusst dazu entscheiden, aktiv zu entspannen und sich erlauben, „nichts“ zu tun
Seine persönliche Maßnahme finden, um Stress abzubauen und diese regelmäßig in den Alltag einbauen: Sport, Bewegung, kreativ sein, sich in der Natur aufhalten, …
Achtsame Zeitplanung (reale Anforderungen an sich selbst stellen)
Regelmäßige Neubewertungen von Adhoc-Stress-Situationen
Regelmäßige Achtsamkeitsübungen einbauen wie z.B.:
Atemübungen (bringt Körper in die Regenerationsphase)
Meditation (trainiert die Gedanken, den Fokus auszurichten)
Dehnungsübungen für Rücken und Nacken gegen das ständige Sitzen
„Wenn du die Berührung mit der inneren Stille verlierst, verlierst du den Kontakt mit dir selbst. Wenn du den Kontakt mit dir selbst verlierst, verlierst du dich in der Welt.“ Eckart Tolle.
Alles Liebe, Vertrauen und Mut.
Be Your Mindful Self.
Deine Katharina
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